Für das Leben und die Freiheit von Mumia Abu-Jamal

Unter dieser Überschrift veranstaltete die Ortsgruppe Königs Wusterhausen des Rote Hilfe e.V. und das Berliner Bündnis Freiheit für Mumia Abu-Jamal gemeinsam mit Unterstützern am 22.10.10 in der Kantine Erich- Kästner- Straße 12 einen Vortrags- und Diskussionsabend.
Die Veranstaltung war ein Beitrag zur Solidarität mit dem afroamerikanischen Journalisten Mumia Abu- Jamal, einem politischen Gefangenen in den USA, der 1982 in einem manipulierten Schnellverfahren zum Tode verurteilt wurde, seitdem gegen seine Hinrichtung kämpft und dessen Leben heute mehr denn je bedroht ist.
Anton Reiner (Berlin), der Mumia am 29.04.2010 im Gefängnis SCI Greene in Waynesburg (Pennsylvania) besuchen konnte, berichtete über Mumia, sein Leben im Todestrakt, das Verfahren und sein ungebrochenes politisches Engagement.
Zur Person:
Mumia Abu-Jamal (Geburtsname Wesley Cook) wurde im April 1954 geboren. Im Alter von 14 Jahren nahm er an einer Protestdemonstration gegen den damaligen rassistischen Gouverneur von Alabama und Präsidentschaftskandidaten der Republikaner George Wallace teil. Er wurde von der Polizei misshandelt und in Haft genommen. Diese Erfahrung brachte ihn zur Black Panther Party. Ein Jahr später gründete er mit politischen Gesinnungsgenossen den Ortsverein der Black Panthers in Philadelphia und avancierte zu dessen Pressesprecher.
Später wurde er in die Redaktion der Parteizeitung nach Oklahoma berufen.
Wegen dieser politischen Aktivitäten setzte das FBI Mumia Abu Jamal im Jahre 1970 auf den politischen Sicherheitsindex und begann damit, ihn zu beschatten und alle seine Aktivitäten zu überwachen.
Bis zu seiner Verhaftung im Dezember 1981 wegen des angeblichen Polizistenmordes war Mumia nicht nur nicht vorbestraft, sondern trotz der ständigen Überwachung durch das FBI hatte man ihn nicht ein einziges Mal einer ungesetzlichen Handlung beschuldigen können. Aus seiner Akte beim FBI geht hervor, dass das FBI schon einmal versucht hatte, Mumia einen Mord anzuhängen, aber diese Sache wurde nicht weiter verfolgt, weil Mumia ein stichfestes Alibi nachweisen konnte.
Diese Versuche des FBI sind im Rahmen seines Counter Intelligence Programms (Verfassungsschutzprogramm) zu sehen. Dieses Programm wurde von dem Direktor des FBI, Edgar Hoover, am 25. August 1967 zur Eliminierung der systemkritischen radikalen Opposition in den Vereinigten Staaten eingeführt,
insbesondere der Black Panther Party und aller Gruppierungen oder Einzelpersonen, die das FBI als linksradikal einstufte. Das Programm umfasste solche Maßnahmen wie Mordanklagen mit gefälschten Beweismitteln, Herbeiführung von „Verkehrsunfällen“ und sogar Morde in staatlichem Auftrag. In den ersten drei Jahren des CoIntelPro des FBI wurden 31 Führer der Black Panther durch die Polizei getötet und über tausend inhaftiert.
Seit Ende der siebziger Jahre hat Mumia Abu Jamal in Philadelphia als Radiojournalist gearbeitet. Er machte sich einen Namen als unerbittlicher Kritiker der Stadtpolizei von Philadelphia, deren rassistische und brutale Übergriffe gegen Afroamerikaner und andere ethnische Minderheiten er immer wieder öffentlich scharf verurteilte.
Er wurde zum Präsidenten der Association of Black Journalists in Philadelphia gewählt, ist mit Peabody Award für besondere journalistische Leistungen ausgezeichnet worden und wurde von der Presse als „the voice of the voiceless“ (Die Stimme derjenigen, die sich kein Gehör verschaffen können) bezeichnet.
Der Tatvorwurf
Am 9. Dezember 1981 wurde der Polizeibeamte Daniel Faulkner von der Stadtpolizei von Philadelphia in der Innenstadt von Philadelphia angeschossen. Er starb etwa eine Stunde später an den Folgen seiner Schussverletzungen.
Dem Vorfall vorausgegangen war eine Verkehrskontrolle. Kurz vorher hatte der Polizeibeamte seine Einsatzzentrale über seinen Standort informiert und um einen Gefangenentransportwagen gebeten. Der Grund dafür ist unklar, weil der zu kontrollierende PKW lediglich eine Einbahnstraße in verkehrter Richtung befahren hatte, so dass mit einer Verhaftung eigentlich nicht zu rechnen war.
Im Fahrzeug saßen zwei Personen. Der Fahrer war Mumias Bruder, Billy Cook, der von dem Polizeibeamten Faulkner zum Aussteigen aufgefordert, kontrolliert und dabei mit einer Stabtaschenlampe auf den Kopf geschlagen wurde.
Diese Auseinandersetzung hat Mumia Abu Jamal beobachtet, der zufällig in seinem Taxi am Vorfallort vorbeikam. Er hielt an und rannte auf den Polizeibeamten und seinen Bruder zu.
Der weitere Hergang ist unklar. Fest steht, dass Officer Faulkner von einem Schuss in den Rücken getroffen wurde und danach einen Kopfschuss ins Gesicht erhielt, an welchem er kurze Zeit nach dem Vorfall starb.
Mumia wurde von dem Polizisten in die Brust getroffen und schwer verletzt.
Das Verfahren
1982 wurde Mumia von einem Gericht in Philadelphia für den Tod des Polizeibeamten verantwortlich gemacht und zum Tode verurteilt. Das Verfahren gegen ihn war eine Farce. Staatsanwaltschaft und Gericht siebten systematisch schwarze Geschworene heraus, so das eine rein weiße Jury zustande kam.
Es wurde nicht bewiesen, dass die tödlichen Projektile aus Mumias Waffe stammten. Ein Geständnis, das Mumia auf dem Weg zum Krankenhaus – schwer verletzt – abgelegt haben soll, wurde nicht protokolliert, vielmehr gaben ein Polizist sowie die Sicherheitsbeauftragte des Krankenhauses erst Wochen nach dem Vorfall an, dass Mumia die Tat „gestanden“ habe.
Belastungszeugen wurden unter Druck gesetzt und manipuliert, Entlasungszeugen nicht gehört.
Laut Amnesty International stellt der Prozess einen Bruch internationaler Mindeststandards eines fairen Verfahrens dar.
Seither kämpft Mumia um einen neuen Prozess, in dem er zeigen kann, dass seine Verurteilung unbegründet ist. Gerade dies wird ihm bisher jedoch verweigert.
Für den 9. November 2010 wurde jetzt vor dem 3. US- Bundesberufungsgericht eine mündliche Anhörung angesetzt. Dort wird es aber nicht darum gehen, ob er schuldig ist oder unschuldig verurteilt wurde, sondern allein um die Frage, ob das Todesurteil bestehen bleibt oder ob es in einem neuen Juryprozeß in lebenslange Haft umgewandelt wird.
Mumias Kampf gegen Rassen- und Klassenjustiz
Mumia kämpft nicht nur um Gerechtigkeit für sich selbst, er ist auch Mitinitiator des Widerstands gegen die Todesstrafe und das unmenschliche Justiz- und Gefängnissystem der USA. Hierin liegt die besondere Bedeutung seines Wirkens und damit auch die besondere Notwendigkeit breiter internationaler Solidarität für ihn.
Per 1. September 2009 war in 35 der 50 Bundesstaaten der USA die Todesstrafe gesetzlich erlaubt. Bis dahin wurden seit ihrer Wiedereinführung 1976 1.171 Hinrichtungen mit-tels Giftspritze, elektrischem Stuhl, Erhängen oder Erschießen durchgeführt. 135 Personen mussten aus dem Todestrakt entlassen werden, weil sich nach der Verur-teilung (!) herausstellte, dass sie unschuldig sind. Dies geschah in vielen Fällen aber nicht wegen eines Berufungsverfahrens, sondern durch die freiwillige Arbeit von Ju-rastudenten, Detektiven und Journalisten, die gravierende Fehler aufdeckten. Die Todesstrafenpraxis in den USA ist rassistisch: Obwohl sie nur 13% der Bevölkerung stellen, sind Afroamerikaner mit 35% der Hingerichteten deutlich überproportional betroffen. Nach einer in Kalifornien durchgeführten Studie kommt es bei weißen Mordopfern ca. dreimal häufiger zu einem Todesurteil als bei schwarzen und ca. viermal häufiger als bei getöteten Latinos. Die Todesstrafe ist darüber hinaus extremer Ausdruck von Klassenjustiz: Vor allem Mordverdächtige aus den unteren sozialen Schichten sind von ihr betroffen, weil sie oft nur schlecht bezahlte Pflichtverteidi-ger zugewiesen bekommen, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind. In einigen Bun-desstaaten ist die Todesstrafe im Widerspruch zum humanitären Völkerrecht sogar für Jugendliche vorgesehen; seit 1985 wurden 22 Personen, die zum Tatzeitpunkt noch keine 18 Jahre alt waren, exekutiert. Die Hinrichtung von Geisteskranken wurde erst 2002 vom Obersten Gerichtshof der USA untersagt. Die oft jahrzehntelangen Berufungsverfahren, die einem Todesurteil folgen, bieten keinen effektiven Schutz gegen Fehlurteile, weil neue Beweise oder Zeugen, die die Verurteilten entlasten könnten – wie bisher in Mumias Fall – zumeist nicht zugelassen werden.
Mindestens 75 Menschen – so eine Expertenschätzung – wurden seit 1976 hingerichtet, obwohl ihre Schuld keineswegs feststand! Nicht zuletzt deshalb ist die Zustimmung zur Todesstrafe in den USA in den letzten Jahren gesunken. Auch die Zahl der jährlich verhängten Todesstrafen nimmt ab. Die Bewegung für die Abschaffung der Todesstrafe erstarkt. Das erkennen aber auch die Befürworter der Todesstrafe im US- Establishment und anderswo – und drängen darauf, Fakten zu schaffen.
Mumias Kampf richtet sich aber auch gegen die ökonomische Ausbeutung der Gefangenen in den zu einem Viertel privatisierten Gefängnissen. Obwohl die Kriminalitätsrate in den USA von 1987 bis 2007 um 25% gesunken ist, hat sich die Inhaftierungsrate in diesem Zeitraum verdreifacht.
Die USA sind inzwischen Weltmeister im Verhängen von Freiheitsstrafen. Mehr als 2,3 Mio. Frauen und Männer – 25% aller Gefangenen in der Welt – befinden sich in US- Gefängnissen.
Kein anderes Land der Welt – nicht einmal China mit mehr als viermal so viel Einwohnern – hat so viele Gefangene.
Mumia schrieb dazu: „Einer der Gründe, warum die USA auf diesem Gebiet absolut führend sind, ist die Tatsache, dass das Gefängnissystem in den vergangenen Jahrzehnten in einen bedeutenden Wirtschaftszweig umgewandelt wurde. Als Begleiterscheinung wurden viele neue Arbeitsplätze in neu gebauten Gefängniseinrichtungen geschaffen – gerade in ökonomisch schwachen Gegenden, in denen beispielsweise Bergbau und Schwerindustrie zusammengebrochen sind und in der Folge ein Arbeitslosenheer entstanden ist.“ 2009 bekannten sich zwei Richter in Penn-sylvania schuldig, von den Betreibern eines Privatgefängnisses Bestechungsgelder angenommen und als Gegenleistung Jugendliche zu hohen Strafen verurteilt zu haben. Die Gefangenen sind zur Arbeit verpflichtet, im Weigerungsfall drohen Sanktionen. Mit einiger Berechtigung kann das Gefängnissystem der USA als Weiterführung der Sklaverei bezeichnet werden.

Was können wir tun?

Schreibt an Mumia Abu-Jamal, AM 8335, SCI-Greene, 175 Progress Drive, Waynesburg, PA 15370, USA.
Jeder Brief und jede Karte sind immer auch ein politisches Zeichen gegenüber der US- Justiz.

Unterzeichnet die Petition an Präsident Obama, in welcher dieser aufgefordert wird, sich gegen die Todesstrafe für Mumia auszusprechen (http:www.petitiononline.com/mumialaw/petition.html).

Spendet für die Finanzierung des Verteidigerteams. Spendenkonto: Archiv 92, Son-derkonto Jamal, S.E.B. Bank Bremen, Konto- Nr.: 1008738701, BLZ: 29010111, Stichwort „Verteidigung“.

Tragt euch in die Alarmliste des Berliner Bündnisses Freiheit für Mumia Abu-Jamal ein.

Nehmt an der Free- Mumia- Demo zur US- Botschaft am 11.12.10, 14.00 Uhr in Berlin, Treffpunkt: Heinrichplatz teil.

Weitere Informationen gibts hier


Rote Hilfe e.V
Ortsgruppe Königs Wusterhausen