Rote Hilfe KW: Redebeitrag zum 8. Mai 2020 am Denkmal in Niederlehme

Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Antifaschstinnen und Antifaschisten,

auch in diesem Jahr haben wir uns aus Anlass des 8. Mai – des Tages der Befreiung vom deutschen Faschismus – vor dem Denkmal für drei ermordete Antifaschisten des sogenannten Kampfbundes gegen den Faschismus versammelt.

Gerade auch an diesem 8. Mai 2020 – genau 75 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschlands – ist es für uns umso wichtiger an all jene zu denken und zu danken, die aktiven Widerstand geleistet und die so oft auch ihr Leben für den Kampf um Befreiung gelassen haben. Natürlich freuen wir uns auch aufgrund der aktuellen Corona-Virus-Situation, dass diese Veranstaltung möglich gemacht wurde – Solidarisch und bedacht um Ansteckungsrisiken zu minimieren und geschwächte Menschen zu schützen, klar.

Und natürlich wollen wir auch in diesem Jahr nicht nur gedenken, sondern auch kämpferische Akzente für das „hier und jetzt“ setzen! Außerdem wollen wir diesen Tag auch feiern! Und zwar als Befreiung – was sonst?

Gedanklich erinnern wir uns – nicht nur – aber speziell an diesem 8. Mai an die harten Kämpfe und den schwierigen Widerstand im faschistischen Deutschland und…

* die unzähligen konspirativen Treffen der örtlichen Antifaschistinnen und Antifaschisten, die unter größter Vorsicht und unvorstellbarem Risiko organisiert wurden – um sich zu sammeln, die eigene Organisierung voran zubringen, sich auszutauschen, Aktionen zu besprechen und Geld zu sammeln;

* an die vielen illegal heraus gegebenen Zeitungen und verteilten Flugblätter

* an die vielen Sammlungen für die Familien eingekerkerter oder ermordeter Aktivistinnen und Aktivisten bzw. der Antifaschistinnen und Antifaschisten selbst;

* an die vielen Plakatier-Aktionen sowie die kleinen und größeren Aktionen gegen die Symbole und Stätten des faschistischen Staates, seiner barbarischen Vernichtungspolitik und seiner Häscher;

* an die organisierte Informationssammlung und -weitergabe zu Abläufen und Kennzahlen aus der kriegswichtigen Produktion und natürlich an die – gerade in den Wildauer Schwarzkopff-Werken – gezielte organisierte Sabotage bspw. durch gezielt eingebaute Schwachstellen der Produkte usw.

* und nicht zuletzt an die zahlreichen Gesten von Menschlichkeit und Solidarität z.B. gegenüber versteckten und sich versteckenden Menschen jüdischen Glaubens, gegenüber Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen der Alliierten usw.

Als Ortsgruppe der Roten Hilfe e.V. erinnern wir uns ganz besonders an die Genossinnen und Genossen der illegalen Roten Hilfe Deutschlands (RHD), die noch 1934 – beispielsweise in Schulzendorf und Wildau – die Zeitung „der Rote Helfer“ verkauften und über aktuelle Repression des faschistischen deutschen Staates,, über Verhaftungen und Schicksale informierten; Die sicherlich versuchten die verschiedenen Mitglieder organisiert zu halten oder Geld- und Sachspenden zu sammeln – bevor auch hier 1934/1935 ein größerer Teil der illegalen Strukturen der RHD zerschlagen wurde.

Als Ortsgruppe erinnern wir uns natürlich auch an die vielen weiter aktiven Rote Hilfe-Mitglieder, die weiter und wieder den Widerstand organisierten. Eine der letzten größeren Organisierungen in der Region – der sogenannte „Kampfbund gegen den Faschismus“ – wurde auch hier in der Region 1942 gegründet – neben Strukturen beispielsweise in Ludwigsfelde und Berlin. Auch hier waren neben vielen anderen Linken auch Rote Hilfe-Mitglieder organisiert. Die drei hier in Niederlehme mit diesem Denkmal geehrten Arbeiter Paul Schütze, Paul Schulze und Karl Scherer bauten dieser Widerstandsorganisation in Wildau-Niederlehme mit auf, ehe sie durch die Gestapo im Mai 1943 verhaftet, gefoltert und Paul Schütze und Paul Schulze 1944 in Brandenburg an der Havel ermordet wurden.

Wir wollen ihrer und der vielen anderen Gedenken, wir wollen aber auch die für heutigen und zukünftigen Kämpfe lernen und verknüpfen.

Wie viele von Euch wissen, sitzt Müslüm Elma seit mehr als fünf Jahren in deutschen Knästen in Untersuchungshaft – massiv gefoltert wurde er davor während seiner 20 Haftjahre beim NATO-Partner und deutschen Verbündeten Türkei. Mit dem bereits mehrere Jahre dauernden politischen 129b-Schauprozess gegen Müslüm und 9 weitere Aktivistinnen und Aktivisten möchte die Bundesrepubik die Kommunisten-Verfolgung des Erdogan-Regimes offenbar fortführen und ihre Unterstützung mit dem türkischen Folterstaates bekunden.

Müslüm ist der Letzte der Angeklagten im Münchener Prozess, der noch in Haft gehalten wird. Im wird Rädelsführerschaft als Teil eines „Auslandskommittees“ der in der Türkei illegalen und auch bewaffnet kämpfenden TKP/ML vorgeworfen. Die TKP/ML ist in Deutschland weder verboten, noch werden Müslüm konkrete Straftaten in Deutschland vorgeworfen. Aber solche „Formalia“ sind dem deutschen Repressionsapparat – wenn wir ehrlich sind – im Zweifel eigentlich immer schon egal gewesen, wenn es nur darum geht gegen besonders missliebige und aktive Linke vorzugehen. Wir stellen uns mit unserer Solidarität dagegen und fordern unmissverständlich die sofortige Einstellung des 129b-Verfahrens in München und die Freilassung von Müslüm! – und aller anderen politischen Gefangenen.

Genauso wie die staatlich inszenierten 129b-„Terror“-Verfahren gegen migrantische Linke und kurdische Aktivistinnen und Aktivisten weiter geführt werden, so werden vorhandene bürgerliche Grundrechte ausgehebelt und damit die Möglichkeiten der politischen Betätigung mit Verweis auf das Corona-Virus und den Infektionsschutz deutlich eingeschränkt.

Das solche Zustände sicherlich Vielen im Repressionsapparat fast wie ein Traum vorkommen dürften – wird doch die politische Linke dadurch getroffen – muss eigentlich jeder und jedem klar sein. Der Verweis der staatlichen Stellen darauf, dass es sich ja lediglich um temporäre Einschränkungen handele, ist allein schon daher sehr mehr als dürftig. Für uns als Rote Hilfe e.V. und für alle Linken ist daher klar, dass wir die repressive Situation aufzeigen und politisch dagegen vorgehen müssen.

Wie der Bundesvorstand der Roten Hilfe in seiner Erklärung zum 1. Mai treffend formuliert hat, [ist] es „kein Selbstläufer und es gibt keine Garantie darauf, dass das Versammlungsrecht und die politischen Grundrechte nach der Pandemie nicht erheblichen Schaden nehmen“.

In diesem Sinne: Kampf der staatlichen Repression! Solidarität ist unsere Waffe! Nutzen wir sie.

 

Aktivengruppe

Rote Hilfe e.V. Ortsgruppe Königs Wusterhausen